Eröffnungsrede zur Ausstellung halb goldgrün halb boje von Doris Hahlweg und Carolina Camilla Kreusch
Johannes Muggenthaler, 2017
(…) Carolina Kreusch ist zuständig für die Erschaffung von Dingen oder Wesen, das lässt sich nicht genau sagen. Die Künstlerin ist offenbar in der Lage, Gegenständen Leben einzuhauchen. Diese nicht genau zu identifizierenden Mischwesen heißen dann beispielsweise Boje, weil sie einen Namen brauchen. Häufig erscheinen ihre Gegenstände auch wie Maschinen, die ihre Funktion vergessen haben. Sie waren eine Weile in der Abstellkammer, und wenn sie klein sind, waren sie vielleicht in der Schublade einer Kommode versteckt. Sie haben also alle ein vermeintliches Vorleben, eine Geschichte, die sie erzählen können.
Die Künstlerin hat eine klassische Ausbildung als Bildhauerin, sie hat ihr Handwerk gelernt. Später galt ihr Interesse auch dem Bühnenbild.
Diese Begegnung mit der Welt des Theaters ist für die Entwicklung ihrer Skulpturen ein prägender Schritt geblieben. Wir wissen alle, das Theater setzt auf Illusion. Es gibt besonders bei der Bühnentechnik, den Prospekten und Requisiten, eine lange Tradition, ein großes Repertoir an Täuschungen und Kniffen. Es gibt die Schauseite nicht nur bei den Schauspielern, sondern beispielsweise auch beim Mobiliar, das auf der Bühne verwendet wird. Diese Gegenstände sollen aus der Entfernung wirken, sie sind eigentlich nicht für die Betrachtung aus der Nähe gedacht. Auch die verwendeten Materialien sind bewusste Täuschungen. Weil die Gegenstände neben ihrem Schaueffekt auch praktisch, dienlich sein müssen. Die große Bronzefigur ist aus bemalter Pappe, damit man sie schnell wegtragen kann.
Anders gesagt, die Täuschung ist Teil der Funktionalität. Aus der Nähe betrachtet erscheint der Gegenstand, erscheint die Rückseite der Schauseite ehrlicher. Diese bestimmte Ehrlichkeit der Bühnengegenstände zeichnet auch die Mischwesen der Künstlerin aus. Die Perfektion der Schauseite ist eine Lüge, aber der Blick auf das uns nah Umgebende eine Antwort darauf. Durchschaubarkeit, Anschaubarkeit bedeutet auch Verletzlichkeit, das spiegeln uns die Verwandten der Bühnenrequisiten, die Skulpturen von Carolina Kreusch wieder. Gleichzeitig aber sind sie ungeheuer vital, nicht unterzukriegen, sie beben vor Vitalität. Sie wollen ihre Geschichte erzählen, sie wollen wachsen wie der böse Hirsebrei. Und manchmal mutieren sie auch, es wächst ihnen ein zusätzlicher Arm oder sie vermehren sich durch Spaltung.
Vorsicht ist geboten, wenn sie rosafarben gestrichen sind, dann sind sie besonders tückisch, dann täuschen sie Haut vor.
Es ist die besondere Begabung der Künstlerin, ihren Gegenständen dieses vermeintliche Eigenleben zu geben, ihnen Selbstbewusstsein zu übertragen durch Zuspruch, wie man es bei Kindern tun soll. Ihr Arbeiten, ihr Farbendrang, ihr räumliches Formen, das alles folgt ihrem vitalen Anliegen nach Kommunikation. Ihre Kunstwerke sind folgerichtig sehr unterhaltsam. Es sind Allwetterskulpturen für den Innenraum.